Buchvorstellung: Praktiken der Polyamorie. Über offene Beziehungen, intime Netzwerke und den Wandel emotionaler Stile

Mai 27th, 2014

Buchvorstellung:

Praktiken der Polyamorie. Über offene Beziehungen, intime Netzwerke und den Wandel emotionaler Stile

Diplomarbeit von Karoline Boehm

 

  • Taschenbuch: 143 Seiten
  • Verlag: Universität Wien Inst. f. Europ. Ethnologie (Dezember 2012), Band 35
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 390202920X
  • ISBN-13: 978-3902029201

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Institut für Europäische Ethnologie
Universität Wien
Hanuschgasse 3
A-1010 Wien
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Im Semester Mo – Mi 9-16, Do -17, Fr-15 Uhr

Ultrakurzbeschreibung:

Akteur_innen der polyamore Szene Wiens berichten von ihrer Lebenswirklichkeit, wie mit einem Bekenntnis zur Polyamorie ein Perspektivenwechsel der Reflexion von Gefühlen, ein Wandel im emotionalen Stil einher geht. So werden Praktiken, die innerhalb der monogamen Norm negativ belegt sind, durch das „Mitfreuen“ positiv umgedeutet. Gleichzeitig etablieren sich innerhalb der polyamoren Szene neue emotionale Normen, Zwänge und Wertvorstellungen.

Kurzbeschreibung:

Polyamorie bedeutet die Möglichkeit im Wissen und Einverständnis aller Beteiligten mehrere sexuelle und emotionale Beziehungen zur gleichen Zeit einzugehen. Sie bezeichnet somit ein Beziehungsmodell und die Idee einer vielgestaltigen intimen Verbundenheit. Karoline Boehm untersucht die nicht monogamen Handlungen in ihrem Buch vor dem Hintergrund gegenwärtiger, gesellschaftlicher Veränderungen. Ihren Fokus legt sie auf Praktiken der Intimität, sowie auf Aushandlungsprozesse in Biografien und polyamoren (Beziehungs-) Alltagen. Beleuchtet werden dabei Fragen von Identität, Begehren, Szenekonstitution, Normalisierung und Gestaltung der Lebensform, die ein facettenreiches Bild über den Wandel emotionaler und sexueller Kulturen zu erkennen geben.

Die mikroanalytisch und qualitativ angelegte Forschungsarbeit beschäftigt sich mit polyamoren Lebensformen. Dies lassen sich als intime Systeme begreifen, in denen die Option besteht, im Wissen und Einverständnis aller Beteiligten mehrere parallele intime Beziehungen einzugehen.

Ausgehend von einer Feldforschung in der Wiener Polyamorieszene, die über regelmäßige Treffen und verschiedene neue Medien sichtbar wird, wurden die Praxis-Diskursformationen der polyamoren Akteur_innen betrachtet: Untersucht wurde, in welchen Kontexten die polyamoren Akteur_innen zu ihrer Lebensform finden, über welche Praktiken sich die verschiedenen intimen Beziehungen konstituieren und konsolidieren, welche Aushandlungsprozesse von den Akteur_innen im sozialen Umfeld eingegangen werden und wie sich die Verbindung zwischen Imaginiertem, Erlebtem und Handlungsebene darstellt. Dieser Fokus führte auf drei Ebenen: In die (beziehungs-)biographische Dimension der Akteur_innen, in ihre Beziehungen, zu den emotionalen und sexuellen Szenen, in denen sie sich bewegen und in ihr nicht-polyamores soziales Umfeld.

Bestimmende strukturelle und kulturelle Voraussetzungen, Zusammenhänge und Effekte werden im Rahmen der Arbeit insbesondere am Beispiel von Rechtslagen, kirchlichen Positionen und urbanen Diversitätspolitiken aufgezeigt. Es zeigte sich zum einen, dass die Zuwendung zu polyamoren Lebensformen mit einem Wertewandel verbunden ist und mit einem umfassenden Prozess des sich Gewahrwerdens, der Wissensaneignung und der Authentifizierung des Selbst verbunden ist. Ein zentrales Moment stellt die Ausbildung eines neuen emotionalen Stils dar, der eine veränderte Art des Denkens über die Beziehung anzeigt. Er ist maßgeblich durch den Modus der Mitfreude (für die Erlebnisse der Anderen) bestimmt und erlaubt die Entstehung mehrerer, unabhängiger und sich überschneidender Intimsphären. Sowohl das Begehren nach mehreren Personen in Vergangenheit und Gegenwart, als auch leidvolle Gefühle wie Eifersucht und Devianz werden in eine neue symbolische Ordnung überführt, welche neue Handlungsmuster evoziert. Die Akteur_innen finden Strategien mit mono- bzw. heteronormativ geprägten Verhältnissen umzugehen, entwickeln Wünsche, stoßen an Grenzen, formieren sich als Netzwerk, differenzieren sich aus, geben ihrem Begehren Ausdruck und ihren sozialen Beziehungen Kontinuität. Diese Prozesse der Identitätskonstruktion, Positionierung und Ausdifferenzierung, sowie Praktiken der Intimität in nicht-dyadischen Systemen werden in der vorliegenden Arbeit nachvollziehbar gemacht und zeigen Tendenzen und Ausgestaltungen des gesellschaftlichen Wandels an.

 

Links:

Rezensionen von

Buchvorstellung von Erik Zika

Podcast Kulturanthropologische Gespräche #17 (Polyamorie. Über offene Beziehungen und einen neuen emotionalen Stil. Mit Karoline Boehm)

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